Montag, 14. November 2011

Sie sieht das Blut, wie es langsam ihren Arm hinunter läuft und ins Waschbecken tropft. Sie spürt den Schmerz. Sie weiß, sie sollte aufhören. Doch sie tut es nicht. Setzt die Klinge wieder an. Drückt zu. Schneidet. Der Schmerz wird unerträglich. Sie bringt sich dadurch um. Denkt jeder. Doch für sie ist es kein Mord. Für sie sind die Schmerzen einfach der Beweis. Der Beweis dafür dass sie noch fühlt. Der Beweis dafür, dass sie noch lebt. Wieder setzt sie an. Wieder ein Stück näher an ihrer Pulsader. Plötzlich klopft jemand an die Tür. Schnell wischt sie das Blut von ihrem Arm und aus dem Waschbecken. Schnell wischt sie die Tränen von ihren Wangen. Ein Blick in den Spiegel: Ihre Augen sind rot vom Weinen. Sie atmet tief durch. Geht zur Tür. Dreht den Schlüssel. Macht. auf. Da steht ihre Mutter. 'Was machst du denn da drin?' 'Nichts. Nur.. Nichts.' Sie lächelt. Ihre Mutter beugt sich vor. Küsst sie auf die Wange. Der Geruch von Alkohol lässt das Mädchen zusammen zucken. Doch sofort hat sie sich wieder unter Kontrolle. Sie weiß: Ihre Mutter ist betrunken. Wie so oft seid er weg ist. Sie würde ihrer Mutter gerne helfen. Doch sie kann sich nicht einmal selber helfen. Wie soll sie es dann bei anderen, geschweige denn bei ihrer Mutter schaffen, die sich nicht einmal selber zu helfen weiß? Sie geht in ihr Zimmer. An der Tür sieht sie sich noch einmal um. Sieht ihre Mutter. Wie sie dort steht. Mit hängenden Schultern. Sieht wie sie schwankt. Sieht auch die Tränen, die in ihren Augen glitzern. Es kostet sie einige Überwindung, zu ihrer Mutter hinzugehen und sie in den Arm zu nehmen. Sie weiß nicht, wie lange sie dort stehen. Aber dann verlässt sie ihre Kraft, ihr Wille ihrer Mutter zu verzeihen. Für das, was ihre Mutter ihr angetan hat. Lässt die Arme wieder sinken. Weicht einige Schritte zurück. Dann dreht sie sich um und geht in ihr Zimmer zurück. Sie schließt die Tür hinter sich. Geht zum Bett. lässt sich darauf nieder. Erst jetzt merkt die, dass auch sie weint. Tränen laufen ihr übers Gesicht. Sie zittert. Sieht auf ihren Arm hinunter. Sieht das getrocknete Blut. Ihr wird schlecht. Was hat sie nur getan, fragt sie sich. Doch egal wie lange sie darüber nachdenkt. Sie findet keine Antwort.

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